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Schockzustand der Musikverleger hält an: Keine Entwarnung nach den Urteilsgründen

Nach der verheerenden Entscheidung des Berliner Kammergerichts führt auch die jetzt veröffentlichte schriftliche Begründung zu weiterem Unverständnis und schierer Fassungslosigkeit bei den deutschen Musikverlagen. Die Urteilsgründe legen ein Fehlurteil nahe, da wichtige Vorschriften des neuen Verwertungsgesellschaftengesetzes (VGG) nicht beachtet wurden.

So enthält das Urteil u.a. einen gravierenden Rechtsfehler, da eine offensichtlich einschlägige gesetzliche Norm nicht berücksichtigt wurde. In der Entscheidung beschäftigt sich das Gericht ausführlich mit der Frage, ob die Musikverlage berechtigt sind, an den Ausschüttungen der GEMA beteiligt zu werden. Dies wird unter Hinweis auf die BGH-Entscheidung vom 21. April 2016 – Verlegeranteil – verneint. Dabei übersehen die Richter jedoch, dass sich die für das Kammergerichtsverfahren relevante Rechtslage gegenüber dem BHG-Urteil entscheidend geändert hat, soweit zukünftige Ausschüttungen betroffen sind.

Am 1. Juni 2016 ist das Verwertungsgesellschaftengesetz (VGG) in Kraft getreten, das in § 5 regelt, dass Rechtsinhaber im Sinne des Gesetzes auch juristische Personen sind, die aufgrund eines Rechteverwertungsvertrages Anspruch auf einen Anteil an den Einnahmen der Verwertungsgesellschaft haben. Diese Vorschrift hätte vom Kammergericht geprüft werden müssen. Das Gericht erwähnt diese Rechtslage jedoch mit keinem Wort und hat diese Vorschrift offenkundig nicht beachtet. Für das Verfahren ist § 5 VGG (in Verbindung mit §§ 6, 7 VGG) jedoch entscheidungsrelevant und hätte zur Zurückweisung der Berufung der klagenden Urheber führen müssen. Selbst wenn das Kammergericht § 5 VGG zu Ungunsten der Verleger ausgelegt hätte, wäre es, da es sich um die erste Entscheidung zu dieser eminent wichtigen neuen Gesetzesvorschrift zugunsten der Verleger handelt, unerlässlich gewesen, das Urteil wegen der grundsätzlichen Bedeutung dem BGH vorzulegen.

In dem Verfahren gibt es noch weitere Merkwürdigkeiten. Das Gericht lehnt die Revision neben dem Hinweis auf die BGH-Entscheidung “Verlegeranteil” mit der Feststellung ab, die Entscheidung beruhe auf den besonderen Umständen des vorliegenden Falles, sei also nur eine Einzelfallentscheidung. Dem gegenüber erklärt der Präsident des Kammergerichts in seiner Pressemitteilung vom 14.11.2016, das Gericht habe “die Rechte von Musikern/Künstlern gestärkt”, das Urteil habe also generelle Bedeutung. Abgesehen davon, dass diese Einschätzung inhaltlich unzutreffend ist, widerspricht die Aussage der Urteilsbegründung.

Im Ergebnis bedroht dieses Fehlurteil akut den Fortbestand des erfolgreichen Geschäftsmodells zwischen Urhebern und Musikverlagen und hat existenzielle Auswirkungen auf eine jahrhundertealte Branche mit zahlreichen klein- und mittelständischen Unternehmen und Tausenden von Mitarbeitern in Deutschland. Den Musikverlagen droht eine Insolvenzwelle unbekannten Ausmaßes. Der dadurch entstehende kulturelle Schaden für unser Land wäre zudem unermesslich.

Es ist daher überlebenswichtig, dass der Gesetzgeber jetzt unmittelbar reagiert und die Verleger als “Berechtigte” noch klarer in das Gesetz aufnimmt, damit Urheber und Verleger ihre Zusammenarbeit weiterführen können.

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