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Hoher bürokratischer Aufwand der Behörden behindert Wettbewerb deutscher Musikunternehmen

Birgit Böcher, Stellvertretende Geschäftsführerin des Deutschen Musikverleger-Verbandes (DMV), formulierte auf dem Musikwirtschaftsgipfel praktische Verbesserungen für die Branche und forderte die Politiker auf, endlich zu handeln.

„Das deutsche Einkommensteuerrecht regelt nicht nur die unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland ansässiger Personen, sondern auch die beschränkte Steuerpflicht von Personen, die ihren Wohnsitz im Ausland haben, jedoch hier Einnahmen erzielen. Die in Deutschland erzielten Einnahmen der im Ausland ansässigen Personen werden sowohl in Deutschland als auch im Wohnsitzstaat, also doppelt, besteuert.
Insbesondere global tätige Künstler und Urheber sind von der Problematik betroffen, da sie nicht nur in ihrem Wohnsitzstaat, sondern auch in jenen Ländern besteuert werden, in denen sie Einnahmen erzielen. So unterliegen die Einnahmen von ausübenden Künstlern, Textdichtern und Komponisten aber auch die Einnahmen, die ausländische Musikfirmen in Deutschland erzielen, der inländischen beschränkten Steuerpflicht. Den Ausgleich für die Doppelbesteuerung bieten so genannte Doppelbesteuerungsabkommen. In vielen Fällen ist das eine gute und praktikable Lösung.

Allerdings führte es im Laufe der Zeit dazu, dass internationale Konzerne die Regelung missbrauchten. Grundsätzlich begrüßen wir natürlich jede Regelung, die Steuerschlupflöcher stopft. Aber die Praxis hat gezeigt: eine Freistellung für Vergütung künstlerischer Tätigkeiten ist in Deutschland nicht mehr so einfach möglich, beziehungsweise mit enorm hohem bürokratischen Aufwand verbunden. Das wiederum geht auf Kosten der deutschen Musikwirtschaft. Diese haben dadurch einen klaren Wettbewerbsnachteil gegenüber ihren Konkurrenten aus anderen Ländern.

Die Freistellung muss beantragt werden - und zwar vom ausländischen Künstler. Der Künstler wird in der Regel von einem Management oder einer eigenen Firma vertreten, also von einer „Gesellschaft“, die den Antrag stellt. Da Gesellschaften aber nicht ohne weiteres freigestellt werden können, erhalten sie einen deutschen Fragebogen. Dieser fragt, ganz der Tradition deutscher Gründlichkeit verpflichtet, nicht nur nach einem Handelsregisterauszug oder der Bestätigung der ansässigen Finanzbehörden über die Steueransässigkeit, sondern gleich nach Bilanzen, Arbeitsvertrag des Geschäftsführers (inkl. Gehalt), Mietverträgen, Nachweisen zur Sozialversicherungen, Mitarbeiterlisten und Telefonabrechnungen und und und.

In der Praxis passiert dann Folgendes: Bereits in den Vertragsverhandlungen muss das deutsche Unternehmen seinen potentiellen Geschäftspartner auf die Problematik hinweisen. Entweder kann das Honorar für die Leistung direkt mit Steuerabzug oder nach (evtl.) erfolgter Freistellung ca. sechs Monate später komplett überwiesen werden. Der ausländische Kreative geht dann meist lieber gleich zu einem Konkurrenten in einem anderen (EU- )Land, in dem dieser bürokratische Aufwand nicht notwendig ist.
Wenn der deutsche Vertragspartner Glück hat, füllt der Kreative tatsächlich diesen Fragebogen aus. Mit der Abgabe aller notwendigen Bescheinigungen und des Fragebogens beim Bundeszentralamt für Steuern dauert es dann aber noch mindestens drei Monate (manchmal auch bis zu sechs), bis der Antrag auf Freistellung bearbeitet wird.

Das jetzige System führt zu vielen Problemen:
• Dem ausländischen Vertragspartner muss erklärt werden, warum er alles offen legen muss.
• In der Regel gibt der deutsche Partner Hilfestellung bei der Beantwortung des Fragebogens und der Antragstellung. Insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen sind aufgrund ihrer Kapazitäten mit dem administrativen Aufwand überlastet.

Noch besser wäre es allerdings, wenn es gar nicht erst zu dieser Belastung kommt. Wir haben daher folgende Lösungsvorschläge formuliert:
1. Die in der Musikbranche üblichen Lizenzzahlungen dürfen nicht als „schädliche Einkommensart zur persönlichen Vermögensanreicherung“ betrachtet, sondern müssen als Vergütungen für Lieferungen und Leistungen anerkannt werden.
2. Die Definition des Verwerters muss im Sinne der Kultur- und Kreativwirtschaft angepasst werden. Es kann nicht sein, dass jedes Unternehmen, das mit Rechten arbeitet, als „Verwerter“ definiert wird und als solcher nicht freigestellt werden kann.
3. Auch dem Vergütungsschuldner soll die Möglichkeit zum Antrag auf Freistellung und das Recht zur Geltendmachung von Betriebsausgaben und Werbekosten in Namen des Gläubigers ermöglicht werden.
Es ist also höchste Zeit, dass die bürokratischen Hemmnisse abgebaut werden und die deutsche Musikwirtschaft wieder wettbewerbsfähiger wird.“

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